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Regeln für Mails
Es besteht kein Zweifel:
E-Mail hat unser Leben verändert. Als die Post noch
ausschließlich auf dem Landwege verschickt wurde, bekam man frühestens
nach zwei Tagen eine Antwort. Dank E-Mail ist heute die Antwort
oft schon nach wenigen Minuten da. Ob vom Kollegen, der nur ein
paar Zimmer weiter sitzt, oder vom Freund aus der Schweiz - die Entfernung
spielt keine Rolle mehr. E-Mail ist zu einer Form der schriftlichen
Kommunikation geworden, die aus dem Alltag, insbesondere
dem Büro-Alltag, nicht mehr wegzudenken ist und die die klassische
Form des Briefschreibens in weiten Teilen abgelöst hat.
Aber: Man muss auch
jeden Tag sein Postfach abrufen!
Sinn und Nutzen der
Betreffzeile
Die Erfinder der E-Mail haben die
wunderbare Idee gehabt, jeder E-Mail eine so genannte Betreffzeile
zuzuweisen. Stellen Sie sich vor, so etwas hätte es im klassischen
Briefverkehr bereits gegeben - ein Vermerk auf dem Umschlag, der den
Inhalt des Schreibens bezeichnet: "Betrifft: Mahnung!" oder
"Betrifft: Beschwerde!" Wie viel umständliches Öffnen von
Briefumschlägen hätten man sich da sparen können! Die Betreffzeile
macht es für den Empfänger leichter, die E-Mails in seinem
elektronischen Postfach zu verwalten, sprich: sie hilft ihm zu
entscheiden, ob die Mail es überhaupt wert ist, geöffnet zu werden, oder
ob sie nicht gleich gelöscht werden kann.
Der Schreibende ist aufgefordert, seinen Worten eine Überschrift zu
geben, den Kern seiner eigenen Mitteilung zu erfassen, die Quintessenz aus
seinem Anliegen zu ziehen.
Das ist freilich kein Verbrechen, doch muss man angesichts der enormen
Werbeflut, die heute elektronische Postfächer zu verstopfen pflegt, damit
rechnen, dass eine E-Mail mit leerer Betreffzeile gar nicht erst geöffnet,
sondern vom Empfänger ungelesen gelöscht wird.
Anrede und Signatur
Einige E-Mail-Schreiber fallen grundsätzlich mit der Tür ins Haus - sie
verzichten auf die Anrede und kommen gleich zur Sache. In privater
Korrespondenz mag das noch angehen ("Und, wie war's gestern
Abend?"), im Geschäftsverkehr ist dies jedoch ziemlich unschicklich:
"Bitte schicken Sie mir umgehend..." - Für ein
"Hallo!" oder "Guten Tag!" sollte es auch bei einer
eiligen Mail noch reichen.
Auch wenn die E-Mail an eine gesichtslose Adresse wie kundenservice@warehouse.com
oder webmaster@yoursite.de geht und möglicherweise mit einer automatisch
generierten Eingangsbestätigung erwidert wird, so gilt doch: Es sind
Menschen, die diese E-Mails öffnen, lesen und bearbeiten, keine
Maschinen. Menschen wie du und ich, die ein höfliches "Sehr geehrte
Damen und Herren" bestimmt nicht verachten.
Wie viel sollte man von seiner Anonymität preisgeben, wenn man sich zum
ersten Mal an jemanden wendet? Niemand erwartet wahrheitsgetreue Angaben
über Alter und Körpermaße des Absenders, und erst recht will niemand
gleich in der ersten Mail die komplette Lebensgeschichte eines Menschen
lesen müssen. Doch ein vollständig ausgeschriebener Name wäre schon mal
ganz nett. Wer seine Mail nur mit "U. Kronstadt" unterzeichnet,
also nicht mit "Ihr" oder "Ihre" U. Kronstadt, sondern
nur mit "U. Kronstadt", der stellt den Empfänger vor ein Rätsel.
Verbirgt sich hinter diesem U. ein Ulrich oder eine Ulrike? Wie soll
man da die Antwort beginnen? Sehr geehrte(r) Herr/Frau Kronstadt? Es
bedeutet eine unnötige Verlegenheit, einem unbekannten E-Mail-Schreiber
antworten zu müssen, der nicht einmal sein Geschlecht zu erkennen gibt.
Die meisten E-Mail-Programme bieten heute die Möglichkeit, jedem
Schreiben eine automatische Signatur anzuhängen, komplett mit
"herzlichen Grüßen", dem vollständigen Namen, sämtlichen
akademischen Titeln, mit Telefonnummer, Handynummer, Faxnummer, Büroanschrift,
Privatanschrift, Firmensitz, Abteilungszugehörigeit, Homepage - alles,
was das Herz begehrt. Hier sollte man sich auf das Wichtigste beschränken.
Rechtschreibung und
Zeichensetzung
Irgendein finsteres Wesen aus Mittelerde
muss vor langer Zeit das Gerücht in Umlauf gebracht haben, dass im
E-Mail-Verkehr sämtliche Regeln der deutschen Orthografie außer Kraft
gesetzt seien. Die Überzeugung, man könne in E-Mails so schreiben, wie
es einem gerade passt, hat sich jedenfalls weit verbreitet und hält sich
hartnäckig.
Wenn jemand aus der Schweiz schreibt und auf das ß verzichtet, so ist das
sein verbrieftes Recht. Wenn jemand mit einer amerikanischen Tastatur
schreibt und deshalb keine Umlaute erzeugen kann, so ist auch das
verzeihlich. Allerdings verfügt auch die amerikanische Tastatur über
eine so genannte Shift-Taste, die man herunterdrücken kann, um Großbuchstaben
zu erzeugen. Der vollständige Verzicht auf Großschreibung lässt sich
also nicht mit einem Auslandsaufenthalt entschuldigen. Eigentlich lässt
er sich mit gar nichts entschuldigen. Mit Coolness oder einem
"irgendwie trendigen graphischen Innovationsanspruch" schon gar
nicht. Ein Text, in dem alles kleingeschrieben wurde, ist nämlich weder
optisch ansprechender, noch ist er leichter zu lesen als ein Text in herkömmlicher
Orthographie, im Gegenteil, es bereitet dem deutschen Auge deutlich mehr Mühe,
einen kleingeschriebenen Text zu entziffern.
Wer glaubt, dass bei dieser Form der Kommunikation die Rechtschreibung
keine Rolle spielte, der befindet sich im Irrtum. E-Mail ist nicht
dasselbe wie SMS!
Auch vom anderen Extrem, nämlich ALLES KONSEQUENT IN GROSSBUCHSTABEN ZU
SCHREIBEN, ist abzuraten. Dies wird von vielen Empfängern als SCHREIEN
empfunden, und wer lässt sich schon gerne anschreien? Dasselbe gilt für
Sätze in Rotschrift. Wer etwas hervorheben möchte, kann dies zum
Beispiel *durch Sternchen* tun, das gilt als wesentlich feiner und ist
nicht weniger wirkungsvoll.
Re: Aw: Re:
Aw: Re: Aw: Anfrage!
Gepriesen sei der Erfinder der Antwort-Funktion! Es steht außer Frage,
dass es ungemein praktisch ist, zur Beantwortung einer E-Mail lediglich
auf den "Antwort"-Button klicken zu müssen, und schon öffnet
sich auf dem Bildschirm eine neue E-Mail-Maske, in die Adressat und
Betreff automatisch eingetragen sind. Man kann also sofort "in die
Tasten hauen". Die meisten E-Mail-Programme sind in der Regel so
eingerichtet, dass beim Klicken auf die Antwort-Funktion auch der Text der
E-Mail, auf die man antworten will, in der Antwortmaske erscheint. Den
Antworttext setzt der Schreibende einfach darüber. Das kann unter Umständen
ganz nützlich sein. Manche E-Mails wandern wie Pingpongbälle wieder und
wieder zwischen den kommunizierenden Personen hin und her, jedes Mal wird
die Betreffzeile um ein "Re:" oder "AW:" länger, und
jedes Mal wird auch der Text der E-Mail länger, weil alle vorangegangenen
Hin- und Her-Mails hinten dranhängen. Das kann unter Umständen
allerdings auch sehr lästig sein.
Stellen Sie sich vor, Sie kommunizieren mit einem Anbieter, fragen ihn, ob
er ein bestimmtes Produkt hat, er schreibt in seiner Antwort "Muss
ich mal nachsehen", sie schreiben zurück "Okay, tun Sie das,
vielen Dank!", er meldet sich mit "Re: AW: Re: Anfrage":
"Nein, den Artikel habe ich leider nicht vorrätig", Sie fragen
ihn, ob er ihn bestellen könne, er erwidert, das dauere aber mindestens
drei Wochen, Sie fragen, ob er Ihnen vielleicht sagen könne, bei wem man
dieses Produkt sonst beziehen könne, er schreibt, versuchen Sie es mal
bei dem und dem, Sie fragen nach einer Telefonnummer, er schreibt Sie
Ihnen samt Anschrift und E-Mail-Adresse, Sie klicken erfreut auf
"E-Mail drucken", um sich die Angaben auszudrucken, und der gequälte
Drucker braucht vier Minuten und fünf Blatt Papier, um eine einzige
E-Mail auszuspucken, die aus rund einem Dutzend "Re: AW: Re:
AW:"-Mails besteht, die sich im Laufe dieser Korrespondenz angehäuft
haben. Fünf Blatt Papier für eine Telefonnummer! Der Regenwald lässt grüßen!
Von den Kosten für Druckertinte ganz zu schweigen. Das Erstellen eines
Antwortformulars kostet uns nur einen Mausklick, aber es nimmt uns nicht
das Nachdenken darüber ab, ob der empfangene Text wirklich noch mal in Gänze
mitverschickt werden muss.
Fazit
Klarheit ist gefordert! Gute Lesbarkeit, lieber eine zu große Schrift als
eine zu kleine, ganz normale Sätze mit Subjekt, Prädikat, Objekt, Kommas
und einem Punkt am Ende, ein Mindestmaß an Höflichkeit und vor allem:
nichts was blinkt und grell ist, flackert oder pulsiert oder auf sonst
eine Art und Weise geeignet wäre, das Auge des Empfängers zu beleidigen.
Wer sich an einen ihm persönlich nicht bekannten Adressaten wendet und
auf eine Antwort hofft, sollte sich um ein gewisses Maß an
Verbindlichkeit bemühen. Fröhlichkeit ist dabei keinesfalls
unangebracht, Förmlichkeit aber auch nicht. Eine E-Mail ist wie eine
Visitenkarte, sie verrät weit mehr über uns als ihr schierer Inhalt.
Wenn man einen neuen Gedanken beginnt, schadet es nicht, dies durch einen
Absatz kenntlich zu machen. Genau wie Punkte und Kommas können auch Absätze
zur besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit von E-Mails beitragen. Ein
strukturierter Text lässt Rückschlüsse auf die strukturierten Gedanken
des Schreibers zu.
Und wer sich vor dem Klick auf "Versenden" kurz die Zeit nimmt,
das Geschriebene noch einmal selbst zu lesen und gegebenenfalls zu
korrigieren, tut nicht nur dem Empfänger, sondern auch sich selbst damit
einen großen Gefallen. Eine originelle, eindeutige Betreffzeile, ein
gepflegtes Schriftbild mit ausgeschriebenen Wörtern, ein klarer Name und
ein klar formuliertes Anliegen erhöhen die Chance um ein Vielfaches, vom
Empfänger wahr- und ernstgenommen zu werden.
(Quelle: Siegel)
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